für Saxophonquartett und Zuspielband (1986/89)
Sätze:
– Prolog
– I. Thelxiepeia
– II. Molpe
– III. Peisinoe
– IV. Aglaopheme
– Epilog
Eigentlich wollte ich keinen Jazz schreiben. Ich hatte ein Bläserstück im Sinn und war fasziniert von den dynamischen Eigenschaften der Saxophone. Daneben beschäftigte ich mich mit repetitiven rhythmischen Floskeln, die ich durch Addition oder Subtraktion von Dauernwerten zu variieren gedachte. Es zeigte sich, daß der Saxophonklang heute kaum mehr von der Konnotation des Jazzhaften zu trennen ist.
Beides, Rhythmus und Klang, übte einen Sog auf mich aus – einen Sog des sinnlich Vulgären, wie er archetypisch in Homers Odyssee beschrieben ist: Im zwölften Gesang umgeht Odysseus mit seinem Kameraden die Gefahr, die von dem hellen, anmutigen (Lock-) Gesang der Sirenen ausgeht, indem er seinen Begleitern warmes Wachs in die Ohren träufeln und sich selbst festbinden läßt. Jeder Kontakt mit den Sirenen ist tödlich, worüber die modernden Gebeine “gestrandeter” Menschen Zeugnis abgeben.Das Stück thematisiert nicht nur die Verführung durch das Vordergründige, sondern auch den Tod, bzw. den Weg dorthin, den man gemeinhin das Leben nennt. Sein Sinnbild in der Mythologie ist die Odyssee. Trotz dieser Bezugnahme ist das Stück nicht programmatisch im Sinne eineraußermusikalisch motivierten Dramturgie. Musik besitzt ihre eigene Bild- und Sprachhaftigkeit! Diese wird zum konstituierendem Prinzip, sie determiniert die Form und damit die spezifische Aussage des Werks.Zwischen dem Prolog und dem Epilog – die vier Hauptteile tragen die Namen von vier Sirenen, die in einer antiken Quelle Erwähnung finden – erklingt eine Musik, die sich der Indizes und Symbole der Genese, der Verführung, der Bedrohung, der Zerstörung und des Abbruchs, sowie mit Gesten der Kontemplation und der Exstase bedient.Im letzten Teil, dem Epilog, vereinigen sich drei Prinzipien des Stücks und erzeugen einen utopischen Raum (vielleicht eine Art Jenseits), was durch das Tonband unterstützt wird: Der tiefe, synthetische Ton erscheint als Todessymbol, der Morserhythmus steht für unbefriedigtes Kontakt- und Kommunikationsbedürfnis des vereinzelten Individuum, sowie für Entfremdung, Verlust der Heimat und einen utopischen Zustand (“von fremden Sternen “). Der Choral schließlich symbolisiert das menschliche Transzendenzbedürfnis im Glorienhaften.Ich wollte keinen Jazz schreiben, entstanden ist vielmehr eine Parabel über die Verführung, mit allen Implikationen:Werden wir uns, um zu überleben, auch Wachs in die Ohren träufeln müssen?
Info
Duration: 14 minutes
Premiere: Insel Hombroich/ Neuss, May 28, 1992 by Berliner Saxophon Quartett
Publisher: peermusic
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Review
At the end of the evening the listeners were absorbed by Georg Hajdu’s “Die Stimmen der Sirenen [The Voices of the Sirens].” … Along with the music of the saxophones, in many ways derived from jazz, synthesizer and saxophone sounds, as well as Morse code rhythms were sounding from tape, symbolizing the unfulfilled need of human communication.
Kölner Stadtanzeiger, Saturday, June 7, 1986.