– am neuen ligeti zentrum startet nun Forschung ganz im Sinne des Jubilars
aus: ZWOELF, Ausgabe 32, Sommersemester 2023
Als György Ligeti 1973 von der HfMT zum Professor für Komposition berufen wurde, äußerte er bei den Berufungsverhandlungen zwei Wünsche: einerseits die Gründung eines Ensembles für Zeitgenössische Musik, andererseits die Schaffung eines Zentrums für Computermusik, für dessen Planungen er den Stanforder Musikprofessor John Chowning gewinnen konnte, den er 1972 anlässlich seines Aufenthaltes an der Stanford Universität kennenlernte. Er war von den Erfindungen tief beeindruckt, die Chowning bereits in den 1960er Jahren gemacht hat und zu denen die Algorithmen für die Verräumlichung von Klängen sowie die so genannte FM-Klangsynthese gehören.
show moreChownings Erfolge kamen nicht aus dem heiteren Himmel. Bereits 1964 etablierte er in Stanford mit der Hilfe von Max Mathews, der damals an den Bell Labs in New Jersey arbeitete, ein Studio für künstliche Intelligenz. Max Mathews wiederum wurde von seinem Mentor John R. Pierce protegiert und durfte an den Bell Labs, die der Telekommunikationsfirma AT&T gehörten, von wirtschaftlichen Motiven unbehelligt seinen Interessen an der Schnittstelle von Musik und Computerwissenschaften nachgehen. 1957 synthetisierte er den ersten Computerklang und entwickelte Musikprogrammiersprachen, für die sich transdisziplinär eingestellte Komponisten wie James Tenney und Jean-Claude Risset begeisterten. Mathews, Pierce, Tenney und Risset referierten über Ihre Arbeiten mit Überschriften wie etwa „Musikalische Klänge von Digitalrechnern”, „die Physikalischen Korrelate der Klangfarbe“ oder „Weiter Experimente im musikalischen Gebrauch des Elektronenrechners“ in den Gravesaner Blättern, die von Hermann Scherchen nach der Gründung des Studio Gravesano im Jahr 1954 herausgegeben wurden. Aber auch der Pionierleistung von Scherchen gingen Arbeiten von Forschern wie Friedrich Trautwein oder Lev Sergeyevich Termen voraus, die ihre musikalischen und (elektro-)technischen Interessen bereits in den 1920er Jahren zu verbinden wussten. Inspiriert wurden Generationen überdies von Hermann von Helmholtz bahnbrechender Schrift Die Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage für die Theorie der Musik aus dem Jahre 1862. Doch bevor wir die gesamte Geschichte der transdisziplinären Musikforschung aufrollen und dabei bei Aristoteles und Pythagoras landen, spulen doch wir lieber wieder 161 Jahre vor und fokussieren auf das von der HfMT zusammen mit der HAW, der TUHH und dem UKE gegründete ligeti zentrum, das am 3. Mai offiziell seinen Betrieb aufnehmen wird und die Fachrichtungen Musik und Theater, Ingenieurwissenschaften, Medizin und Medientechnologie zusammenbringt. In der letzten Ausgabe der ZWOELF ist ja bereits einiges über die Genese des Projekts gesagt worden, weswegen wir uns jetzt die Frage stellen, was das Besondere am ligeti zentrums ist, vor allem im Hinblick auf die weltweit bereits existierenden transdisziplinären Zentren. Dabei ist die Natur der Förderung, die wir für die nächsten fünf Jahre erhalten, maßgeblich. Die FörderinitiativeInnovative Hochschule stellt den regionalen Transfer von Ideen, Wissen und Technologie in den Vordergrund. Es geht also nicht um das l’art pour l’art der Grundlagenforschung, sondern um den Dialog mit Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft, nicht zuletzt mit dem Hintergedanken, dass manches, was im ligeti zentrum entwickeltwerden wird, sich auch in Form von Ausgründungen monetarisieren lässt. Durch unseren Cluster Musik und Gesundheit bekommt außerdem der Begriff Gesundheit in unserer postpandemischen, durch internationale Konflikte und Klimakrise geprägten Zeit eine über das Wohlbefinden des Individuums hinausgehende, gesellschaftliche Dimension. Und nicht ohne Grund haben wir in unserem Antragstext 6 der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele genannt, deren Verfolgung nicht nur dem Sustainable Theater Lab ein Anliegen ist. Zusammenfassend können wir also sagen, dass die HfMT dem Geiste György Ligetis folgend, der sich selbst immer auch als Wissenschaftler jenseits der Grenzen der Disziplinen wahrnahm, im Verbund mit ihren universitären Partnern, durch den Transfer von transdisziplinärer Forschung einen Beitrag zur aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung leisten möchte.
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