MAX am MAC

MAX am MAC, bleibender Geheimtip der Computermusik

Bericht über das Seminar „Interaktive Musiksysteme” am 20. – 22. Juli 1998
in der Landesmusikakademie NRW, Heek

von Barry L. Roshto

Seit den 80er Jahren, in denen die Computer kleiner, leistungsfähiger und erschwinglicher wurden, haben die Hard- und Software-Hersteller auch den Musikmarkt erkannt und erobert. Ob U- oder E-Musik, Amateur oder Profi, zu Hause, im Studio oder auf der Bühne, der Rechner ist in unserem heutigen Musikleben nicht mehr wegzudenken. Die Konkurrenz ist mittlerweile so groß geworden, daß die Hersteller nur wenig Risiko eingehen und die unzähligen Produkte sich sehr ähneln. Dadurch wird Kreativität eher diktiert als gefördert. Daß es doch anders sein könnte, zeigte der Komponist und Theoretiker Dr. Georg Hajdu aus Münster in seinem Seminar „Interaktive Musiksysteme”, das in der Landesmusikakademie NRW im Juli dieses Jahres stattfand. Diese „Musiksysteme” präsentierte er in einem einzigen Programm mit Namen „MAX” von er Firma Opcode (USA). Seine Begegnung mit MAX fand 1990 während seines Musikstudiums in Berkeley, Kalifornien statt.

MAX ist eine virtuelle Umgebung, in der man Apparate bastelt, die bestimmte musikalische, mathematische und multimediale Aufgaben in Echtzeit erfüllen können. Grafische Objekte werden am Bildschirm in beliebiger Menge und Form zusammengekabelt. Die Grenzen werden so nicht vom Hersteller, sondern von der Leistungsfähigkeit des Rechners sowie der Kreativität und dem Vorstellungsvermögen der Benutzer festgesetzt. Natürlich ist es unmöglich, ein so umfangreiches Programm in einem begrenzten Zeitraum von drei Tagen zu erlernen. Aber nach dem ersten Tag, an dem die Grundelemente und Arbeitsmethodik von MAX erklärt worden waren, waren diejenigen Teilnehmer des Kurses, die dem Programm zum ersten Mal begegneten überzeugt, daß sich die Mühe lohnen würde. Auch die Teilnehmer, die MAX schon kannten, fanden in der Erfahrung des Dozenten Antwort und Rat. Allesamt waren sie von den neulich erschienen – Objekten beeindruckt. Diese MAX Signal Processing Module bieten im Audiobereich Möglichkeiten, die bis jetzt den größeren Computermusikstudios vorenthalten waren.

Das Seminar war aber auf keinen Fall nur einen Vortrag dessen, was sowieso im Handbuch nachgelesen werden könnte. Um Leistung und Flexibilität des Programms zu verdeutlichen, führte Hajdu einige Anwendungen aus seiner mehrjährigen Arbeit mit MAX vor: eine Echtzeit-Interpretation von Stockhausens grafischer Partitur des Tonbandstückes Studie II (1954), die Hajdu und seine Studenten in Münster im Computer „nachgezeichnet” haben; die Komposition Darsana I von der Amerikanerin Cindy Cox für MIDI-Flügel und MAX, in der bestimmte Signaltöne von live-gespielten Partien als Auslöser für Ereignisse dienen, die wiederum auf dem Flügel erklingen; eine interaktive Präsentation der Examensarbeit, „Klangvielfalt in der Musik der Beatles”, verfaßt und programmiert von Sven Bey (Münster), die die multimedialen Fähigkeiten von MAX zeigte; und schließlich aus einem Zwischenspiel von Hajdus Oper „Der Sprung” eine Art digitaler Dirigent, der acht Sängern über Kopfhörer mikrotonale Melodien separat zuspielt und gleichzeitig Improvisiertes vom Synthesizer-Spieler speichert und manipuliert.

Für die Seminarteilnehmer war ausreichend Hard- und Software vorhanden, um eigene Versuche zu unternehmen. Schade nur, daß das für ursprünglich fünf Tage geplante Seminar wegen geringer Teilnehmerzahl um zwei Tage und zwei Konzerte gekürzt wurde. Ob das geringe Interesse Zufriedenheit mit der geläufigen und weniger komplizierten Musiksoftware bedeutet oder an der Tatsache liegt, daß MAX nur auf einem Macintosh-Rechner läuft, ist schwer festzustellen. Es bleibt nur die Hoffnung, daß MAX und Mac bis zum nächsten Mal ihr großes „Coming-Out” erleben.

Barry L. Roshto ist freiberuflicher Komponist mit mehrjähriger Erfahrung in elektronischen Medien, sowie Dozent für Klavier und Komposition an der Musikschule der Bundesstadt Bonn. Er hat an dem Seminar teilgenommen.